Seit seiner Erstbeschreibung (Beck et al., NEJM 2020) hat das VEXAS-Syndrom enormes Forschungsinteresse geweckt. Die rasch wachsenden Erkenntnisse auf dem Gebiet des VEXAS-Syndroms haben das Potenzial, unser generelles Verständnis von hämato-inflammatorischen Erkrankungen maßgeblich voranzutreiben. Gleichzeitig stellt die Diagnostik und Behandlung betroffener Patientinnen und Patienten aufgrund der klinischen Heterogenität und dem Mangel an etablierten Therapiestandards eine erhebliche Herausforderung dar.
Für Behandler:innen
Wann an VEXAS denken und Diagnostik veranlassen?
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Autoinflammatorische Symptome
(rezidivierendes Fieber, neutrophile Dermatosen, Chondritiden, Arthritiden, Vaskulitiden, therapierefraktäre rheumatologische Erkrankungen)
- Hämatologische Veränderungen
(Makrozytäre Anämie, MDS, MDS/MPN, Multiples Myelom, MGUS)
- Insbesondere Männer >50 Jahre (selten auch bei Frauen)
Angesichts der Vielfalt der Symptome können VEXAS-Betroffene in verschiedenen Fachdisziplinen, wie Hämatologie, Rheumatologie, Pulmologie oder Dermatologie, vorstellig werden. Bei entsprechender Symptomatik sollte eine zielgerichtete Diagnostik (UBA1-Mutationsanalyse aus dem peripheren Blut oder Knochenmark) veranlasst werden.
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Neue Publikationen
November 2024: PET-Diagnostik bei VEXAS
Eine kürzlich veröffentlichte Studie untersucht die Rolle der PET-Bildgebung in der Diagnostik des VEXAS-Syndroms. Dabei wurden die PET-Befunde von 35 Patienten analysiert und mit den klinischen Verläufen korreliert. Die PET-Untersuchung erwies sich als hilfreich, um entzündliche Herde zu identifizieren, die klinisch nicht erkennbar waren. Darüber hinaus zeigte sich bei einigen Patienten bereits vor dem Auftreten klinischer Symptome eine unspezifisch gesteigerte Stoffwechselaktivität im Knochenmark.
Oktober 2024: VEXAS-Patientinnen
Auch Frauen können, wenn auch seltener, am VEXAS-Syndrom erkranken. Diese Literaturrecherche analysiert die klinischen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Patienten. Hierbei scheint die X-Inaktivierung keinen Einfluss zu haben; entscheidend ist das Vorliegen einer UBA1-Mutation in Kombination mit einer Monosomie X.
September 2024: Allogene Stammzelltransplantation bei VEXAS-Patienten
Die allogene Stammzelltransplantation wird bei schwerwiegenden Verläufen des VEXAS-Syndroms als eine vielversprechende und derzeit einzige potenziell kurative Therapieoption angesehen, ist jedoch mit erheblichen Risiken verbunden. Ein aktueller Review fasst die Behandlungsergebnisse von 33 VEXAS-Patienten zusammen, die eine allogene Stammzelltransplantation durchlaufen haben.
Juli 2024: Opportunistische Infektionen bei VEXAS-Patienten
Opportunistische Infektionen treten gehäuft bei Patienten mit VEXAS-Syndrom auf. In einer Analyse von 94 Patienten mit VEXAS-Syndrom entwickelten 6% eine Pneumocystis jirovecii (PJ)-Pneumonie, bei 15% trat eine Alphaherpesvirus-Reaktivierung auf (wobei Varizella-Zoster-Virus (VZV)-Reaktivierungen am häufigsten auftraten) und 10% wiesen eine Infektion mit nicht-tuberkulösen Mykobakterien (NTM) auf. Patienten, die eine PJ-Pneumonie, Herpes-simplex-Virusreaktivierung oder NTM entwickelten, hatten ein erhöhtes Sterberisiko. Eine medikamentöse antiinfektive Prophylaxe gegen PJ und VZV reduzierte die Infektionsraten deutlich und wird für die klinische Praxis empfohlen.
Juli 2024: Weitere Evidenz für molekulare Remissionen unter Azacitidin
Niederländische Kollegen konnten in einer weiteren Fallserie von 6 Patienten anhaltende klinische und molekulare Remissionen bei VEXAS-Patienten unter Therapie mit Azacitidin zeigen.
Juni 2024: Kutane Manifestationen beim VEXAS-Syndrom
Hautmanifestationen finden sich bei 83% der Patienten mit VEXAS-Syndrom. Am häufigsten treten dabei die leukozytoklastische Vaskulitis (36%), neutrophile Dermatose (34%) und perivaskuläre Dermatitis (30%) auf. Interessanterweise sind spezifische UBA1-Genvarianten mit unterschiedlichen Hautmanifestationen assoziiert: die p.Met41Leu-Variante zeigt häufig Sweet-Syndrom-ähnliche neutrophile Läsionen, während die p.Met41Val-Variante eher mit vaskulitischen Läsionen assoziiert ist. Eine systemische Steroidtherapie führt bei 92% der Patienten zu einer vorübergehenden Besserung der Hautmanifestationen. Von einer Anwendung von Anakinra, einem Interleukin-1-Antagonisten, wird aufgrund schwerer kutaner Reaktionen an der Injektionsstelle, einschließlich Ulzerationen und Abszessen (bei bis zu 75% der Patienten) abgeraten.
Mai 2024: Die Bedeutung des PERK-Signalweges beim VEXAS-Syndrom
Jüngste Untersuchungen mittels Single-Cell Multi-Omics haben den PERK-Signalweg (Protein Kinase RNA-like Endoplasmic Reticulum Kinase) als einen wichtigen Treiber in der Pathogenese des VEXAS-Syndroms identifiziert. Der PERK-Signalweg ist ein Teil der Unfolded Protein Response (UPR), einem zellulären Stressreaktionsmechanismus, der aktiviert wird, wenn es zu einer Akkumulation von fehlgefalteten Proteinen im Endoplasmatischen Retikulum kommt. Die Erkenntnisse legen nahe, dass die Hemmung des PERK-Signalwegs eine potenzielle Therapieoption zur gezielten Bekämpfung des UBA1-mutierten Klons darstellen könnte.
Mai 2024: Thromboembolische Komplikationen beim VEXAS-Syndrom
Das VEXAS-Syndrom geht mit einem erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse einher. In einer Analyse von Kusne et al. betrug die kumulative Inzidenz von venösen Thromboembolien ein Jahr nach Symptombeginn 17% und nach 5 Jahren 40%. Knapp die Hälfte der betroffenen Patienten erlitt wiederholt Thromboembolien und 20% der thromboembolischen Ereignisse traten trotz Antikoagulation auf.
Mai 2024: Effektivität und Sicherheit zielgerichteter Therapien beim VEXAS
In einer großen multizentrischen retrospektiven Studie wurden 110 VEXAS-Patienten analysiert, die insgesamt 194 zielgerichtete Therapien erhielten. Von diesen Patienten erhielten 40% Januskinase-Inhibitoren (JAKi), 26% Interleukin (IL)-6-Inhibitoren, 17% IL-1-Inhibitoren, 10% Tumornekrosefaktor (TNFα)-Blocker und 6% andere zielgerichtete Therapien. Die Ergebnisse zeigten, dass der Einsatz von JAK-Inhibitoren eine 6-Monats-Ansprechrate von 30% und IL-6-Inhibitoren eine Ansprechrate von 26% erzielte, was einen Vorteil gegenüber den übrigen Therapien darstellt. Zudem war das Überleben ohne Therapieabbruch bei Patienten, die JAKi erhielten, signifikant länger als bei anderen zielgerichteten Therapien. Diese Ergebnisse müssen jedoch in prospektiven Studien bestätigt werden.